1. Das Moiré-Prinzip
Bereits 1874 registrierte Lord Rayleigh, der spätere Nobelpreisträger für Physik (1904), streifenartige Figuren, die beim Zusammenlegen feinster Gitter auftraten. Später wurde dieses optische Phänomen entsprechend seiner wasserglanzartigen Wirkung Moiré genannt. Heute gebraucht man diesen Terminus vor allem in drei Bereichen: In der Fernsehtechnik für eine Bildstörung in Form eines Strichmusters auf dem Leuchtschirm des Empfängers, im Druckgewerbe für die störende, durch falsche Rasterung hervorgerufene Musterung und vor allem auf dem Textilsektor für ganz eigenartige und sehr wechselvolle Gewebemusterungen.
In der folgenden Darstellung geht es allein um die ursprüngliche Bedeutung des Moiré-Prinzips: Ebenso wie zwei verschiedene, aufeinander gelegte Gitter ein Moirémuster hervorrufen können, kann das gleiche Phänomen durch die Auflage eines Gitters auf einem Textilgewebe hervorgerufen werden. Und der sich dabei einstellende Moiré-Effekt kann für die messtechnische Bestimmung dieses zugrundegelegten Textilmaterials praktisch genutzt werden.
2. Die technische Anwendung des Prinzips im Moiré-Gitter
Der Vorgang ist relativ einfach: Kennt man die metrischen Eigenschaften des aufgelegten Gitters, dann kann man beim Auftreten der Moiréfigur auf die metrische Quali-tät des untergelegten Textilgewebes schließen. Auf diesem Sachverhalt beruht die Wirkungsweise des Lunometers - eines handlichen Geräts aus Kunstglas mit eingeätzter Gitterliniatur.
Durch die Auflage des Geräts auf eine textile Oberfläche wird gleichsam die Liniatur des Instruments mit der Struktur des Gewebes zusammengelegt: Es kommt zur Überlagerung (Interferenz) beider Gittersysteme. Da es sich bei der Liniatur des Gerätes um ein Gitter mit linear wachsender Gitterkonstante handelt, muss es irgendwo in diesem Interferenzfeld eine Zone geben, wo sich völlige Übereinstimmung beider Gitter einstellt: Dies ist der Mittelpunkt der sich deutlich abbildenden Interferenzfigur.
Der seitlich auf dem Instrument angebrachte Skalenbalken gibt den Dichtewert der Liniatur an dieser Stelle und damit den gesuchten Dichtewert des gesamten Prüflings exakt an. Als dienlich für das Ablesen erweist sich dabei die stets zum Interferenzzentrum hin deutlich zunehmende Breite der Moiré-Streifen.
3. Die textilpraktischen Funktionen des Lunometers
In der Praxis des Textiltechnikers sind es besonders drei Funktionen, in denen sich solche Gitterstäbe bewährt haben:
3.1 Messung der Fadendichte (Fadenzahl)
Dominierend ist der Gebrauch des Lunometers zur Bestimmung der Fadendichte (Fadenzahl, Einstellung) bei allen Geweben bzw. Gewirken, die eine Parallelstruktur, z.B. eine Taffetbindung, aufweisen. Dazu wird das Instrument möglichst parallel zu der zu prüfenden Fadenrichtung auf den Prüfling aufgelegt. Sofort erscheint eine lnterferenzfigur, und zwar in ovaler geschlossener Form (bei Parallelgittersystemen, in hyperbolischer Form bei Radialgittersystemen).
Die Mittelachse der lnterferenzfigur ist maßgebend für die exakte Ablesung der Fadendichte (Schussfäden) anhand der lnstrumentenskalen. Auch die Zahl der quer verlaufenden Fäden (Kettfäden) kann auf diesem Wege erfasst werden: Wenn man das Gerät langsam verdreht, so verändert sich auch die Moiréfigur und verschwindet bei 45° fast ganz. Bei weiterer Verdrehung bis auf 90° erscheint die Moiréfigur wieder deutlich und bezieht sich nun auf die quer verlaufenden Fäden. Zur Messung genügt bloßes Tageslicht. Bei dunklen oder schwarzen Geweben bzw. Gewirken erhält man kontrastreiche lnterferenzbilder, wenn man im Durchlicht anstatt mit Auflicht arbeitet. Neben dieser messtechnischen Bedeutung - die einschlägigen Handbücher verweisen auf den Lunometer nur in seinem Gebrauch als Fadenzähler oder Fadendichtemesser - kommen dem Instrument aber noch weitere Funktionen zu.
3.2 Lokalisierung von Gewebefehlern
Von fast ebensolchem Gewicht ist die Möglichkeit, mit dem Lunometer eventuelle Fehler im Gewebe zu ermitteln. Störungen in dem zu prüfenden Gewebe, beispielsweise Abweichungen in der Fadendichte um nur einige Prozent, zeichnen sich deutlich sichtbar durch gebrochenen Verlauf der Interferenzlinien ab (desgleichen Fadendickenunterschiede, Fadenverlegungen, Färbefehler usw.). In jedem Fall erscheint die Moiréfigur asymmetrisch. Für alle diese Unregelmäßigkeiten im zu prüfenden Gewebe gibt es eine ganz bestimmte Erscheinung in der lnterferenzfigur des Instruments.
3.3. Prüfung der Krumpffestigkeit
Als besonders vorteilhaft erweist sich schließlich - sowohl im Prüflaboratorium als auch im Textilbetrieb - die Verwendung des Lunometers zur Messung der Dimensionsänderungen (Krumpfung, Schrumpfung) von Textilien. Bekanntlich treten solche Dimensionsänderungen häufig bei Nassbehandlungen in der Textilausrüstung (beim Färben, beim Knitterfestausrüsten, beim Waschen u.a.) auf. Viele Textilien, insbesondere solche auf der Grundlage von Zellulosehydratfasern oder von Wolle, haben die Eigenschaft, bei solchen Nassbehandlungen einzulaufen. Dieses Krumpfen der Textilien ist zum Teil auf das Quellungsvermögen mancher Fasern in Wasser zurückzuführen. Teilweise sind die Ursachen jedoch auch rein mechanisch bedingt. Textilien z.B. aus regenerierten Zellulosefasern wie Reyon oder ZelIwolle zeigen beim Einbringen in wässrigen Flotten eine starke Quellung. Dabei wird der Querschnitt der Fasern vergrößert und die Länge verkürzt. Dieser Zustand bleibt auch nach dem Trocknen erhalten und wirkt sich im Einlaufen des Gewebes aus.
Zur Kontrolle solcher und ähnlicher Dimensionsänderungen hat sich auch der Lunometer als nützlich erwiesen. Im allgemeinen erfolgte die Prüfung der Textilien auf Krumpffestigkeit nach folgender Vorschrift:
Auf dem zu untersuchenden Gewebeabschnitt zeichnete man mit waschfester Tinte ein Quadrat von 50 cm x 50 cm auf. An jeder Kante trug man drei Marken (nach.2 cm, 25 cm und 48 cm) ab, deren Abstände man zur senkrecht liegenden Marke auf den Millimeter genau maß. In eine Waschflotte, die je Liter Wasser 5 g Seife und 3 g Soda enthält, brachte man bei einem Flottenverhältnis 1 : 30 und bei 40° C den Abschnitt ein, erhitzte innerhalb 20 min bis zum Sieden und hielt sie 10 min bei Kochtemperatur. Dann ließ man die Ware 10 min lang in der Flotte abkühlen, spülte mehrfach, bis das Spülwasser klar ablief, schleuderte ab und legte die Probe zum Trocknen auf. (Ein Auswringen oder Aufhängen der Probe soll vermieden werden, damit keine Verzerrungen oder einseitige Längungen eintreten). Nach dem Trocknen wurde der Abschnitt leicht eingesprengt und durch Aufsetzen des Bügeleisens - ohne seine Verschiebung - glattgebügelt. Schließlich ließ man die Ware 10 min auskühlen und maß nach. Aus den drei Messungen in jeder Geweberichtung wurde das Mittel genommen und der Einsprung des Gewebes, bezogen auf das Maß vor der Wäsche, in Prozent berechnet.
Mit Hilfe des Lunometers kann nun eine derartige Prozedur vereinfacht werden. Da-bei arbeitet man mit derselben Waschvorschrift. Man verzichtet jedoch auf die Aufzeichnung des Quadrats auf das Muster, sondern bestimmt lediglich vor und nach der Wäsche mit dem Lunometer die Faden- bzw. Maschenzahl an verschiedenen Stellen des Musters und berechnet daraus die Massänderung (Einsprung oder Längung) in Prozent. Übrigens ist dieses vereinfachte Verfahren vor allem dann vorteilhaft, wenn es sich um Nachprüfungen an fertigen Kleidungsstücken handelt, auf die keine Quadrate aufgezeichnet oder aus denen keine Stücke herausgeschnitten werden können.
4. Die arbeitszeitlichen Vorzüge des Lunometers
Ein wichtiger Faktor in der Gesamtbeurteilung von Moiré-Gitterstäben liegt bei den arbeitszeitlichen Vorzügen ihrer Anwendungstechnik: Die Bestimmung der Faden- bzw. Maschenzahl mit Hilfe des Lunometers erfolgt rascher als beim Auszählen mit der Lupe. So benötigt man zur Ermittlung der Fadenzahl von 20 Geweben mit einer Fadendichte von etwa 40 Fäden je cm durch Auszählen mit der Lupe etwa 15 min, durch Messung mit dem Lunometer dagegen höchstens 6 min, wie eine Prüfung im Staatlichen Institut für Textilchemie (Badenweiler) ergeben hat.
Auch bei der bereits geschilderten Prüfung der Krumpffestigkeit mit dem Lunometer ist der arbeitszeitliche Gewinn erheblich: Die für das Aufzeichnen der Quadrate notwendige Zeit kann man einsparen. Ebenso entfallen die auf den Millimeter genauen Markierungen und ihre Nachmessungen. Man legt lediglich das Instrument an verschiedenen Stellen des Gewebes auf und liest den alten bzw. neuen Dichtewert ab.
Außerdem ist das Auszählen unter der Lupe für die Augen erheblich anstrengender als die automatische Bestimmung mit dem Lunometer, insbesondere, wenn es sich um Gewebe oder Gewirke mit hoher Fadendichte handelt. Zudem geschieht das Ablesen per Lupe in subjektiver Weise; hier sind Irrtümer bei der Feststellung der tatsächlichen Fadenzahl möglich.
5. Die industriellen Anwendungsbereiche des Lunometers
Der primäre Anwendungsbereich des Lunometers liegt auf dem Gebiet der Textilindustrie. Die geschilderten Funktionen des Instruments dienen allen Geweben (in der Weberei am Webstuhl, in der Warenschau und -putzerei, im Lager) sowie auch Maschenwaren (z.B. Trikot in der Veredlung), die eine reihenartige Struktur erkennen lassen (Popeline z.B.). Ebenfalls Webblattprüfungen lassen sich mit dem Lunometer durchführen.
Einen weiteren Anwendungsbereich findet das instrumentale Moiré-Gitter auf dem Metallsektor in der Drahtbranche: Die Gewebenummer von Drahtgeweben, Metalltüchern und Prüfsieben wird seit Jahrzehnten mit dem Lunometer abgelesen.
Auch das Druckgewerbe macht von dem Lunometer Gebrauch: Die heute fortgeschrittene Siebdrucktechnik, insbesondere die Mehrfarben-Rastersiebdrucktechnik, stellt äußerst hohe Anforderungen an die Gleichmäßigkeit der hierfür verwendeten Gewebe aus Naturseide, Nylon, Perlon und Polyester und ist deshalb auf eine messtechnische Kontrolle ihrer Schablonengewebe angewiesen.
6. Schlussbetrachtung
Für die verschiedenen Messbereiche wurden schwerpunktmäßig fünf verschiedene Standardtypen entwickelt :
Vgl. den Link "Produkte" !
Ferner werden die kleineren Radialgitterstäbe angeboten. Nur die amerikanischen Lunometer-Typen weichen in Bezeichnung und Messbereich z.T. von den obigen ab und werden in Lizenz vertrieben. Alle Instrumente sind im mitgelieferten Etui wie ein kleiner Rechenschieber bequem in der Tasche mitzuführen.